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Problem XXX,I

Problem XXX,I Aristoteles zugeordnet, wahrscheinlich verfaßt von Theophrast, seinem Schüler

Antiker Quellentext zur Begriffsgeschichte der Melancholie bzw. des Irreseins

Zitiert nach: Saturn und Melancholie. Studien zur Geschichte der Naturphilosophie und Medizin, der Religion und Kunst. Von Raymond Klibansky, Erwin Panowsky, Fritz Saxl. Frankfurt 1990. S. 59-76. Im folgenden als Quelle >Saturn<



 

Warum sind alle hervorragenden Männer, ob Philosophen, Staatsmänner, Dichter oder Künstler, offenbar Melancholiker gewesen? Und zwar einige in solchem Maße, daß sie sogar unter den von der schwarzen Galle verursachten Anfällen [1] litten, wie in der Heroensage von Herakles berichtet wird. Denn dieser scheint eine solche Naturanlage besessen zu haben, weshalb auch die Alten die Anfälle der Epileptiker nach ihm die >heilige Krankheit< nannten [2]. Sowohl die Wahnsinnstat gegen seine Kinder als auch das Aufbrechen seiner Wunden vor der Entrückung auf dem Öta macht dies deutlich, - denn solches wird bei vielen durch die schwarze Galle bewirkt: ebendies geschah auch mit den Wunden des Lysander von Sparta vor seinem Tode. Ferner die Geschichten von Ajax und Bellerophon, von denen der eine völlig wahnsinnig wurde, der andere in die Einsamkeit floh, weshalb auch Homer über ihn folgendermaßen gedichtet hat:
"Aber nachdem auch jener verhaßt war allen Göttern, Irrt' er umher, einsam durch die Aleische Flur, Sein Herz in Kummer verzehrend, der Menschen Pfade vermeidend."
Auch viele andere unter den Heroen litten offenbar in derselben Weise wie diese. Unter den Späteren waren es Empedokles, Platon und Sokrates und zahlreiche andere berühmte Männer, sowie auch die meisten Dichter. Viele von ihnen werden von Erkrankungen befallen infolge einer derartigen Mischung in ihrem Körper, bei andern zeigt die Naturanlage eine deutliche Neigung zu diesen Leiden. Alle aber, um es knapp zu sagen, sind also, wie bereits erwähnt, von Natur aus so beschaffen.

Wir müssen nun die Ursache hiervon herausfinden, indem wir uns zunächst eines Vergleiches bedienen. Wein in großer Menge genossen versetzt offensichtlich Menschen in solche Zustände, wie wir sie bei den Melancholikern finden, und ruft bei den Trinkenden die verschiedensten Charkterzüge hervor, indem er sie zum Beispiel jähzornig, menschenfreundlich, rührselig oder draufgängerisch macht; doch weder Honig noch Milch, noch Wasser, noch etwas anderes dieser Art hat eine solche Wirkung. Daß der Wein bei den Menschen die verschiedensten Charakterzüge hervorbringt, kann man auch sehen, wenn man beobachtet, wie er die Trinkenden allmählich verändert: diejenigen, welche am Anfang, in nüchternem Zustand, kühl und schweigsam waren, macht er, wenn sie nur ein wenig zuviel getrunken haben, geschwätziger; trinken sie noch ein wenig mehr, macht er sie großsprecherisch und übermütig und, wenn sie fortfahren, draufgängerisch. Trinken sie noch mehr, so macht er sie frevelhaft und schließlich rasend. Ein allzu großes Übermaß jedoch erschöpft sie und macht sie stumpfsinnig wie jene, die von Kindheit an Epileptiker waren oder deren Zustand an extreme Melancholie grenzt.


Wie nun der einzelne Mensch seinen Charakter ändert beim Trinken, je nach Menge des Weines, die er zu sich genommen hat, so gibt es - entsprechend jeder solchen temporären Verhaltensweise - gewisse Menschentypen, die sie verkörpern. Denn so wie der eine in diesem Augenblick der Trunkenheit ist, so ist der andere von Natur: der eine geschwätzig, der andere erregbar, der dritte stets den Tränen nahe - denn auch in diesem Zustand bringt der Wein den Menschen, weshalb es auch bei Homer heißt:
"Und sie sagt, daß ich in Tränen schwimme, weil mir der Sinn von Wein beschwert ist".


Manchmal werden sie auch rührselig oder grausam oder stumm (denn einige versinken in völliges Schweigen, und zwar besonders Melancholiker, die zu Verzückungen neigen). Der Wein macht Menschen aber auch zärtlichkeitsbedürftig; ein Zeichen dafür ist, daß ein Trinkender sich hinreißen läßt, Leute zu küssen, die wegen ihres Aussehens oder ihres Alters wohl kein Nüchterner liebkosen würde. Wein bringt nun die Menschen in einen außergewöhnlichen Zustand, nicht für lange Zeit, sondern nur kurz, die Naturanlage aber für immer, auf Lebenszeit, denn die einen sind tollkühn, andere schweigsam, andere mitleidig, wieder andere feige, von Natur. Daher ist es offenbar diesselbe Ursache, durch die der Wein und die Naturanlage des einzelnen den Charakter bestimmen: alle Prozesse werden nämlich durch Wärme reguliert. Nun ist sowohl der Saft der schwarzen Galle als auch das Temperament lufthaltig. Daher rechnen auch die Ärzte Blähungsbeschwerden sowie Unterleibsleiden zu den melancholischen Krankheiten. Auch Wein hat eine lufterzeugende Kraft, und somit sind Wein und das Temeperament von Natur ähnlich. Daß Wein lufthaltig ist, zeigt sein Schaum. Öl erzeugt nämlich keinen Schaum, selbst wenn es warm ist, Wein jedoch sehr viel, und zwar der dunkle mehr als der helle, weil er wärmer und konzentrierter ist. Aus diesem Grunde erregt Wein Liebesverlangen in den Menschen, und mit Recht sagt man, daß Dionysos und Aphrodite zusammengehören; auch sind die meisten Melancholiker wollüstig.

Der Geschlechtsakt ist nämlich mit der Erzeugung von Luft verbunden. Ein Zeichen dafür ist, daß das männliche Glied aus einem kleinen Umfang schnell anwächst, weil es aufgebläht wird. Noch bevor sie Samen auswerfen können, haben Knaben, die kurz vor der Pubertät stehen, ein gewisses Lustempfinden, wenn sie in unbeherrschter Weise ihr Glied reiben. Das hat offenbar seinen Grund darin, daß die Luft durch die Poren entweicht, durch die sich später die Flüssigkeit ergießt. Die Ergießund des Samens beim Geschlechtsverkehr und sein Herausschleudern wird offenbar bewirkt durch das Nachstoßen der Luft. Daraus ergibt sich, daß diejenigen Speisen und Getränke den Geschlechtstrieb anregen, welche die Gegend um die Geschlechtsorgane mit Luft anfüllen. Daher bringt auch der dunkle Wein die Menschen in diesselbe Verfassung, in der sich die Melancholiker befinden. Daß diese Luft enthalten, wird an einigen Symptomen deutlich: die meisten Melancholiker sind nämlich mager und haben hervortretende Adern; die Ursache dafür ist aber nicht die Menge des Blutes, sondern die der Luft. Warum aber nicht alle Melancholiker mager sind und nicht alle dunkel [3] sind, sondern nur die, welche besonders schlechte Säfte in sich tragen, das gehört in eine andere Untersuchung.


Doch um zu unserem ursprünglichen Thema zurückzukehren: daß dieser melancholische Saft in der Natruanlage von Anfang an gemischt ist (denn er ist eine Mischung aus Warm und Kalt; aus diesen beiden besteht seine Natur). Deswegen kann die schwarze Galle sowohl sehr heiß als auch sehr kalt werden, denn ein und dasselbe kann von Natur beide Zustände annehmen, wie auch Wasser, das an sich kalt ist, dennoch wenn es genügend erwärmt wird, zum Beispiel wenn es kocht, wärmer ist als die Flamme selbst. Auch Stein und Eisen können, wenn sie durchglüht sind, wärmer werden als die Kohle, obwohl sie von Natur kalt sind. Genauer ist dies in der Abhandlung über das Feuer dargelegt [Theophrast!]. So kann auch die schwarze Galle - die von Natur aus, und nicht nur oberflächlich betrachtet, kalt ist -, wenn sie sich in dem beschriebenen Zustand befindet, d.h., wenn sie im Körper das rechte Maß überschreitet., Schlagflüsse, Lähmungen, Depressionen oder Angstzustände hervorrufen. Wird sie aber übermäßig erwärmt, bewirkt sie übersteigerte Hochgefühle und Sangesfreude, Ekstasen, Aufbrechen von Wunden und anderes dergleichen. Bei den meisten Menschen bewirkt die durch die tägliche Nahrung entstehende Galle keine Veränderung des Charakters, sondern ruft nur im Körper einen entsprechenden schwarzgalligen Krankheitsanfall hervor. Unter denjenigen, die von Natur ein solches Temperament besitzen, zeigt sich sogleich große Mannigfaltigkeit von Charakteren, verschieden je nach der Art der Mischung. So sind zum Beispiel diejenigen, bei denen kalte Galle in großer Menge vorhanden ist, schlaff und stumpfsinnig, diejenigen aber, die übermäßig viel warme Galle besitzen, sind geneigt, in Verzückung zu geraten oder sie sind von Natur besonders talentiert oder stark erotisch veranlagt oder leicht zu Zorn oder Begierde zu erregen; einige wiederum werden schwatzhafter.

Viele aber werden auch, weil diese Wärme nahe dem Sitz des Verstandes ist, von krankhaften Anfällen der Raserei und der Verzückung ergriffen; so entstehen die Sibyllen, die Wahrsager und alle Gottbegeisterten, soweit sie nicht durch Krankheit, sondern durch ihr physisches Temperament so geworden sind. - Marakos von Syrakus war immer dann ein besserer Dichter, wenn er in Ekstase war. -

Diejenigen jedoch, bei denen die übermäßige Wärme auf ein Mittelmaß abgeschwächt ist, die sind dann zwar Melancholiker, aber besonnener und weniger exzentrisch, in vieler Hinsicht anderen überlegen, sei es durch geistige Bildung, sei es durch künstlerische Begabung, sei des durch staatsmännische Fähigkeit. Auch zeitigt eine solche Anlage große Unterschiede im Verhalten angesichts von Gefahren, indem viele dieser Menschen in bezug auf ihre Reaktion in furchterregenden Situation unberechenbar sind. Denn je nachdem ihr körperlicher Zustand jeweils auf ihr Temperament abgestimmt ist, benehmen sie sich bald so, bald anders. Wie die schwarzgallige Mischung in Krankheiten die verschiedensten Symptome verursacht, so kann sie auch selbst die verschiedensten Erscheinungsformen annehmen, denn wie Wasser ist sie manchmal kalt, manchmal warm. Wenn daher etwas Furchterregendes gemeldet wird und die Mischung zufällig gerade ziemlich kalt ist, dann macht sie den Menschen feige, denn sie halt der Furcht den Weg freigemacht, und Furcht macht kalt. - Das beweisen die Schreckhaften, denn sie zittern. - Ist die Mischung aber eher warm, dann hat die Furcht den Menschen auf eine gemäßigte Temperatur gebracht, und er ist seiner selbst Herr und affektlos. Ähnlich verhält es sich mit den alltäglichen Depressionen, denn wir sind ja oft in einer traurigen Stimmung, aber >warum<, das können wir nicht sagen. Ein anderers Mal sind wir wohlgemut ohne ersichtlichen Grund.

In geringem Maße sind alle diesen und den vorher erwähnten Stimmungen ausgesetzt, denn allen ist etwas von dieser Veranlagung beigemischt. Wenn aber diese Veranlagung in die Tiefe geht, prägt sie den Charakter. Denn wie sich die Menschen ihrem Aussehen nach nicht dadurch voneinander unterscheiden, daß sie ein Gesicht haben, sondern dadurch, daß sie ein so oder so beschaffenes Gesicht haben, die einen ein schönes, andere ein häßliches, noch andere ein in keiner Weise außergewöhnliches - die durchschnittlichen Naturen -, so halten auch diejenigen, welche nur ein wenig von einem solchen Temperament haben, die Mitte ein, die aber viel davon beistzen, unterscheiden sich bereits von der Mehrzahl der Menschen. Wenn nämlich ihre melancholische Mischung sehr gesättigt ist, sind sie zu melancholisch, wenn sie aber einigermaßen gemischt ist, sind sie hervorragende Menschen. Wenn sie sich nicht ni acht nehmen, neigen sie jedoch zu den melancholischen Krankheiten, die einem an diesem, die anderen an jenem Teil des Körpers: Bei den einen zeigt es sich durch Epilepsie, bei anderen durch Neigung zu Schlagflüssen, bei anderen durch starke Depressionen oder Angstvorstellungen, wie es bei Archelaos, dem König von Mazedonien, der Fall war. Der Grund aber für eine solche Veranlagung ist die Mischung in ihrem Verhältnis zu Kälte und Wärme. Wenn sie nämlich über das rechte Maß abgekühlt ist, bewirkt sie grundlose Depressionen. Daher kommt Selbstmord durch Erhängen am meisten bei jungen Menschen vor; bisweilen aber auch bei älteren.

Viele bringen sich auch nach dem Rausch um. Einige Melancholiker verfallen nach dem Trinken in Depressionen; die Wärme des Weines bringt nämlich die natürliche Wärme zum Erlöschen. Wärme in der Region des Körpers, in der wir denken und hoffen, macht uns wohlgemut; deswegen sind auch alle Menschen geneigt, bis zur Berauschtheit zu trinken. Denn eine Menge Wein macht alle Menschen hoffnungsvoll, so wie Jugend die Kinder. Alter ist arm an Hoffnung, Jugend aber voller Hoffnung. Es gibt auch vereinzelte Fälle, in denen Menschen schon während des Trinkens von Depressionen ergriffen werden, aus dem gleichen Grund, aus dem dies bei einigen nach dem Trinken geschieht. Diejenigen nun, bei denen Depressionen auftreten, wenn die Wärme in ihnen schwindet, neigen dazu, sich aufzuhängen. Daher kommt Selbstmord durch Hängen am meisten bei jungen, aber auch bei alten Leuten vor. Denn in dem einen Fall bringt das Alter die Wärme zum Schwinden, in dem andern ein Leiden, das auch etwas Physisches ist. Die meisten von denen, bei denen die Wärme plötzlich erlischt, begehen Selbstmord, zur allgemeinen Verwunderung, da sie vorher überhaupt kein Anzeichen für ein solches Vorhaben gegeben haben. Wenn nun die schwarzgallige Mischung zu kalt wird, ruft sie, wie gesagt, verschiedenartige Depressionen hervor; wird sie aber wärmer, Heiterkeit. Daher sind auch die Kinder fröhlicher, die Greise aber mißgestimmter, denn die einen sind warm, die anderen aber kalt. Altern ist nämlich eine Art Abkühlung. Das plötzliche Erlöschen geschieht manchmal aber auch durch äußere Ursachen, wie Brennstoffe, die wider ihre Natur zum Erlöschen gebracht werden, wie zum Beispiel Kohle, wenn sie mit Wasser übergossen wird. Darum bringen sich auch einige nach dem Rausche um, denn die vom Wein verursachte Wärme ist von außen hinzugeführt, und wenn sie erlischt, tritt ein solcher Zustand ein. Auch werden nach dem Geschlechtsverkehr die meisten Menschen etwas mißgestimmt, diejenigen aber, die viel überflüssige Stoffe mit dem Samen ausstoßen, werden heiterer, denn sie fühlen die Erleichterung von den überschüssigen Stoffen, sowie von überflüssiger Luft und Wärme. Jene andern aber werden oft mißgestimmter, denn sie erkalten nach dem Geschlechtsverkehr, weil von den notwendigen Stoffen ihnen etwas abhanden kommt, was sich daran zeigt, daß nicht viel Ausfluß stattgefunden hat. Um es also noch einmal zusammenfassend zu sagen: Da die Wirkung der schwarzen Galle, ungleichförmig ist, sind auch die Melancholiker nicht gleichförmig, denn die schwarze Galle kann sehr kalt und sehr warm sein. Da sie aber den Charakter bestimmt - denn das Warme und das Kalte in uns ist das, was am meisten unseren Charakter bestimmt - bewirkt sie, wie der Wein, wenn er in größerer oder geringere Menge unserem Körper zugeführt wird, daß unser Charakter eine bestimmte Beschaffenheit annimmt. Beides ist lufthaltig, sowohl Wein als auch schwarze Galle. Da es möglich ist, daß die variable Mischung gut ausgewogen ist und sich in gewisser Weise günstig erweist, das heißt, daß sie, je nachdem es nötig ist, in einem wärmeren oder wiederum kälteren Zustand ist, oder umgekehrt, weil er zum Übermaß neigt, deshalb sind alle Melancholiker hervorragende Menschen, nicht durch Krankheit, sondenr durch ihre Naturanlage [4].

[1]: Die Lehre von den "quattuor humores", den vier Säften, hat folgende Geschichte: Die Pythagoräer schworen bei "der Vierzahl, die die Quelle und Wurzel der ewigen Physis inne hat" (Saturn S. 40). Diese wurde von Empedokles mit Inhalt gefüllt, den "vier Wurzeln des Alls" Sonne, Erde, Himmel, Meer (Saturn S. 42). Diese Lehre wurde der Alkmaionischen Qualitätenlehre angenähert, so daß die berühmten vier Elemente Feuer, Erde, Luft und Wasser entstanden, die zugleich aber nicht mehr bloß als Stoffe, sondern als Qualitäten betrachtet wurden, also das Trockene, Feuchte, Kalte und Warme. Diese wurden vom Makrokosmos der Welt auf den Mikrokosmos der menschlichen Natur übertragen, und zwar in der Schrift "Über die Natur des Menschen", die, nicht später als 400 v. Chr. verfaßt, entweder Hippokrates oder Polybos zugeschrieben wird. Hier taucht zum ersten Mal die Lehre von der Vierzahl der Säfte auf, die im Gleichgewicht beim Gesunden seien. Es handelt sich um Blut, Phlegma, schwarze und gelbe Galle (Saturn S. 46). Seit Galen (200 n. Chr.) entstand daraus die Lehre von den vier Temperamenten der Sanguiniker, Phlegmatiker, Choleriker und Melancholiker. Man unterscheidet zwischen je natürlicher Veranlagung und krankhafter Disposition. Es handelt sich um eine Spekulation psychosomatischer Kausalität.

[2]: Die enge Verbindung zwischen Melancholie und Epilepsie wurde von den Hippokratikern hervorgehoben. Man muß hierzu ergänzen, daß die moderne Medizin den Begriff der Melancholie mehr oder weniger aufgegeben hat. Man spricht heute von endogenen Psychosen (d.h. ohne direkte körperliche Ursache) und unterscheidet dort zwischen Manisch-Depressiven und Schizophrenie. Eine Nähe zur Epilepsie ist aufgehoben.

[3]: Später wurde hieraus eine rassistische „Rassentheorie“ abgeleitet, nach der die Hautfarbe die Disposition der Säfte verriet: der sanguinische Rote, melancholische Schwarze, cholerische Gelbe und der phlegmatisch-coole weiße Mann.

[4]: In den eigentlichen Schriften von Aristoteles taucht Melancholie nur als Krankheit auf. Man mag diesen Text als Ausnahme betrachten oder aber daher annehmen, daß er von seinem Schüler Theophrast stammt. Angeblich soll Aristoteles aber selbst Melancholiker gewesen sein. Die Außergewöhnlichkeit bedeutet zunächst nur ein Abweichen vom Maß, doch scheint diese "Anomalie" in der Säfte-Theorie der Melancholie eine besondere Bedeutung zu geben, der Melancholiker wird zur begabten Ausnahme. Später werden Anleihen gemacht bei der platonischen Idee der "Mania", dem schöpferischen Wahn (Saturn 76-92).

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