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SELBSTHILFE I: M.S.: 10 PUNKTE

SELBSTHILFE II: MIT VERRÜCKTHEIT KONSTRUKTIV UMGEHEN

SELBSTHILFE III: T.BOCK: GRATWANDERUNG

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Gruppe Psychiatrie-Erfahrener
(Anonymes Autorenkollektiv)/ M.S.:

(Selbsthilfe II)

Mit Verrücktheit konstruktiv umgehen

Dies ist die von mir überarbeitete Version eines anonym im Web veröffentlichten Textes einer Gruppe von Psychiatrie- Erfahrenen. Das Original, "Umgang mit dem Ver-rücken" findet sich beispielsweise unter http://www.people.freenet.de/ak71/netzwerk.html .
Ich habe inhaltlich wenig geändert, wohl aber einige meiner Ansicht nach notwendige Ergänzungen vorgenommen. Die Änderungen betreffen ansonsten Rechtschreibung und Ausdruck sowie Kürzungen. Ohne mich selbst über den Klee loben zu wollen, meine ich doch, daß der Text an Lesbarkeit und Verständlichkeit gewonnen hat. M.S.

Inhalt

(per Anklicken der Kapitelüberschriften gelangt man zur entsprechenden Textstelle)

Einleitung

A. Vorbeugung
1. Erstellen einer Notfall- Liste
2. Rechtliche Absicherung
3. Ernährungsumstellung
4. Dem Körper (bzw. sich selbst) ;-) Gutes tun
5. Verrückte Zustände leichterer Art in begrenztem Umfang zulassen
7. Psychotherapie
8. Psychopharmaka

B. Achtsamkeit: merken, wenn „es“ wieder losgeht, sogenannte Frühwarnzeichen
1. vermehrte Schlafstörungen
2. Veränderungen der Wahrnehmung
3. Veränderungen im Denken
4. Veränderungen in der Körperwahrnehmung
5. Veränderungen in der eigenen Verhaltensweise
6. Die Menschen um einen herum verhalten sich anders

C. Was kann helfen ?
- Menschen
1. Ruhe
2. Alltag
3. Ablenkung
4. Drogen und Naturheilmittel

D. Akute Zustände: wenn man verrückt, psychotisch, wahnsinnig ist

E. Nach dem Verücktsein
1. Hilfe
2. Krankmeldung
3. Kinder versorgen
4. Rückzug in einen schützenden Raum
a) Zuhause
b) Klinik
5. Zwangseinweisung
6. Betreuung

F. Anhang: Umgang mit besonderen Arten des Verrücktseins (unvollstaendig)

Mit Verrücktheit konstruktiv umgehen

Einleitung

Verrücktheiten sind vielgestaltig. Sie nur als Krankheit zu sehen, greift zu kurz: Verrücktheiten können uns dabei helfen, mehr über uns selbst zu erfahren; uns neue Sichtweisen eröffnen. Sie können Phantasie und Kreativität freisetzen.

Verrücktheiten können aber auch Leiden verursachen, unsere Beziehungen und sozialen Lebensgrundlagen zerstören. Sie können dazu führen, daß wir in der Psychiatrie landen und – schlimmstenfalls – tödlich enden.


Die vorwiegende Haltung in der psychiatrischen Behandlung lässt sich im folgenden Frage - Antwortpaar zusammenfassen:
Wie bekämpft man Verrücktheiten am besten ?
Die übliche Antwort lautet: mit der Gabe von Psychopharmaka und ergänzenden sozialpsychiatrischen Maßnahmen.

Dieser Auffassung setzen wir die These entgegen:
Verrücktheit ist eine Begabung. Eine Begabung allerdings, mit der man umzugehen lernen muss.

Den Krieg gegen das Verrücktsein zu eröffnen ist so, als eröffne man das Feuer auf sich selbst.
Die inzwischen entwickelten „Waffenarsenale“ (z.B. Psychopharmaka) gegen das Verrücktsein wegzulegen und sich auf die Suche nach einem anderen, friedlicheren Weg zu machen ist anstrengend und mit Arbeit verbunden. Es funktioniert auch nicht von heute auf morgen.
Dieser Text ist das Ergebnis des Versuchs, Wissen und Erfahrung von uns Psychiatrie- Erfahrenen darüber zu sammeln, wie wir Verrücktheiten in unserem Sinne steuern können.

A. Vorbeugung

Verrücktheiten kommen nie grundlos und aus heiterem Himmel, auch wenn einem das manchmal so vorkommt. Sehr häufig spielen zum einen Kindheitserlebnisse, aber auch die aktuelle Lebenssituation eine Rolle.

In der aktuellen Lebenssituation sind häufig Faktoren vorhanden, welche die Wahrscheinlichkeit, verrückt zu werden erhöhen. Einige dieser Faktoren sind hier beispielhaft aufgelistet:

a. soziale Isolierung
b. unbefriedigende Arbeitssituation
c. zu wenig oder zu viel Stress
d. Unterdrücken der eigenen Gefühle und Bedürfnisse
e. Verliebtheit, Liebeskummer
f. Konflikte, verdeckt oder offen, mit nahestehenden Menschen
g. existenzielle Probleme wie z.B. Schulden, Wohnungslosigkeit, usw.
h. nicht mit anderen über die eigenen Probleme sprechen - können oder - wollen
i. Auslösereize, die traumatische Kindheitserlebnisse aktualisieren
j. Verlust nahestehender Personen
k. aktuelle traumatische Erfahrungen


Wenn mehrere solcher oder ähnlicher Faktoren zusammenkommen, kann es passieren, dass wir verrückt werden. Unsere aktuelle Situation ist unerträglich geworden und wir sehen keine andere Lösungs- oder Fluchtmöglichkeit mehr.
Dann passiert es, abrupt oder allmählich, auffällig oder unauffällig: wir wechseln in andere Welten.

Das Verrücktwerden- Können ist eigentlich eine wertvolle Fähigkeit, es kann uns in ansonsten unerträglichen Situationen schützen. Es kann uns auch zu Erkenntnissen über uns selbst verhelfen, denn unsere Wünsche und Ängste, Erinnerungen und unterdrückten Gefühle kommen im Verrücktwerden in verschlüsselter oder auch erkennbarer Form zum Vorschein.


Trotzdem bedroht uns das ungesteuerte Verrücktwerden auch. Zur Vorbeugung sind deshalb folgende Dinge wichtig:

- von Zeit zu Zeit einmal im Alltag innehalten und sich fragen: bin ich mit meinem Leben, so wie ich es jetzt führe, zufrieden ?
Gibt es Dinge, die ich ändern möchte ?
Wie könnte ich sie ändern ?
Gibt es Menschen, die mich bei meinen Änderungswünschen unterstützen und ermutigen könnten ?

- Wenn ich Wünsche habe, die wegen meiner Lebensumstände zur Zeit nicht erfüllbar sind, gibt es vielleicht einen ähnlichen oder kleineren Wunsch, den ich mir erfüllen könnte ?

Der wichtigste Punkt zur Vorbeugung ist: ein Freundes- und Bekanntenkreis, mit dem wir uns wohlfühlen und in dem wir über unsere Schwierigkeiten, aber auch die Freuden des Lebens reden können.
Helfen kann hier beispielsweise der Besuch von Selbsthilfegruppen und die Kontaktaufnahme mit Menschen, mit denen wir Hobbies und Interessen teilen können.


Neben diesen allgemeineren Vorbeugungsmöglichkeiten gibt es auch konkretere Vorbeugungsmaßnahmen, wobei hier gilt:

Probieren geht über Studieren.

1. Erstellen einer Notfall- Liste

Dazu erinnere ich mich an meine letzte Krise und überlege, was mir damals geholfen oder geschadet hat. Auf Grund dieser Erfahrungen erstelle ich dann eine Liste mit Dingen, die ich im Krisenfall tun kann, um mich selbst fürs Erste zu versorgen.
Hier ein Beispiel, wie sie aussehen könnte (natürlich muß hier jeder seine eigene Liste anfertigen):

a. ich mache mir einen Tee, Kakao etc.
b. ich rufe Richard an -Tel. Nr. :… - und bitte ihn, ob er vorbeikommen kann;
wenn er nicht da ist, rufe ich Martina an -Tel. Nr. :… - bzw. Stefanie -Tel. Nr. :… -
c. ich gehe nicht nach draußen
d. ich rufe nicht meine Eltern an
e. ich nehme ein Bad
f. ich versuche mich abzulenken durch z.B. Fernsehen oder Aufräumen

2. Rechtliche Absicherung

Sichere Dich für den Fall einer Klinikeinweisung im Vorfeld ab durch eine Behandlungsvereinbarung bzw. ein psychiatrisches Testament oder eine andere Art der Vorausverfügung. Nähere Informationen dazu gibt es beispielsweise unter:

http://www.psychiatrie.de/hilfe/recht04.htm#Vorausverfügungen
oder vovo

3. Ernährungsumstellung

Bei einigen Menschen kann eine Ernährungsumstellung einen stabilisierenden Effekt haben (wenn man keinen Kult daraus macht). So kann beispielsweise bei Depressionen die Reduzierung zuckerhaltiger Nahrungsmittel einen positiven Effekt haben. Bei Menschen die z.B. durch frühere traumatische Erfahrungen belastet sind, kann es helfen, auf eine regelmäßige Zufuhr von Mineralien, insbesondere Magnesium, zu achten.
Extreme Ernährungsformen sind zur Vorbeugung meist nicht geeignet, im Gegenteil, sie können zu einer Destabilisierung führen. Vorsicht ist z.B. auch beim sogenannten Heilfasten geboten. Generell gilt, daß eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung mit viel Gemüse und Obst gesundheitsförderlich ist.

4. Dem Körper (bzw. sich selbst) ;-) Gutes tun

Bewegung: Finde heraus, welche Form körperlicher Bewegung Dir gut tut und auch Spaß macht: Spazierengehen, Yoga, Schwimmen, Tanzen, Radfahren, usw.

Entspannung: Nimm Dir Zeit für entspannende Tätigkeiten wie z.B.:
ein schönes warmes Bad nehmen, in die Sauna gehen, Musik hören, usw.

Pflege: Körperpflege jeder Art kann entspannend wirken und wirkt indirekt zurück auf das oftmals labile Selbstwertgefühl.

5. Verrückte Zustände leichterer Art in begrenztem Umfang zulassen

Für manche Menschen kann es hilfreich sein, leicht verrückte Zustände bewußt zuzulassen, insbesondere für Menschen, die ihr Verrücktsein als positiv erleben. Es erfordert allerdings einige Erfahrung, die Grenze zu erkennen, an der die Sache umschlägt und zum Selbstläufer wird. Das Zulassen leichterer Verrücktheit kann auf verschiedenste Weisen geschehen:

- z.B. feste Zeiten zum "Abdrehen" im Alltag einplanen
- die Nutzung kreativer Medien wie Malen, Modellieren, Musizieren und Schreiben um die Inhalte der Verrücktheiten auszudrücken
- Lesen
- Träumen

Bei alldem ist die zeitliche Begrenzung wichtig, sonst kann es sein, daß einem diese Zustände „aus dem Ruder laufen“ und aus der leichteren eine schwerere Form der Verrücktheit wird.

6. Gefühle und Konflikte nicht ignorieren

Manchmal ist es durchaus sinnvoll, die eigenen Gefühle auch einmal zu ignorieren. Andererseits wird dies gefährlich, wenn man es andauernd tut.
Ähnliches gilt für den Umgang mit Konflikten, insbesondere mit Menschen, die einem nahe stehen. Nicht angesprochener Ärger, unterschwelliger Groll, ungeklärte Verhältnisse - all das ist für die Psyche belastend.
Es dient also der Vorbeugung, die eigenen Gefühle ernst zu nehmen und die Klärung bestehender Konflikte nicht zu lange aufzuschieben.

7. Psychotherapie

Für manche Menschen kann eine Psychotherapie hilfreich sein, allerdings können Psychotherapien auch unerwünschte Effekte zeitigen, z.B. indem sie psychotische Zustände auslösen. Ganz allgemein gilt: Psychotherapie kann keine Wunder bewirken. Deshalb ist eine Entscheidung hier nicht ganz einfach.
Für die Entscheidung folgende Empfehlungen:

a. Besprich Deine Gründe für und gegen eine Psychotherapie mit Menschen, die
Dich kennen und hole Dir so verschiedene Meinungen ein.

b. Besprich Deine Idee mit einem vertrauenswürdigen „Profi“, der Dich auch über die verschiedenen Therapierichtungen informieren und gemeinsam mit Dir überlegen sollte, welche Therapeuten in die engere Wahl kommen.

c. Lasse Dir auf jeden Fall Vorgespräche bei verschiedenen Therapeuten geben und nimm eine Liste mit Fragen mit, die wichtig sind (z.B. Frage nach der Ausbildung des Therapeuten, Frage ob er/ sie bereits mit Menschen mit Deiner Problematik gearbeitet hat, welche Einstellung zu Psychiatrie und Psychopharmaka er/ sie hat, usw.)

d. Lasse Dir Zeit bei Deiner Entscheidung und entscheide auch nach Deinem Gefühl zu dem Menschen. Kannst Du Dir vorstellen, zu dieser Person Vertrauen zu entwickeln?

Ausgesprochen gefährlich können Therapieformen der esoterischen oder anderer ausgefallener Szenen sein:
z.B. die sogenannte Schreitherapie, Rebirthing in Wochenendseminaren, Rückführungsseminare, Geistheiler, usw.
Aber auch bei den sogenannten seriösen Therapieformen gibt es vieles, was nicht ungefährlich ist.
Z.B.: wenn der Therapeut "sein Handwerk nicht versteht" und nicht bereit oder in der Lage ist, seine Methode auf die Bedürfnisse des Klienten einzustellen.
Es ist also dringend erforderlich, bei der Suche nach einem geeigneten Therapeuten sehr genau hinzuschauen (bzw. "hinzufühlen").

Näheres erfährt man bei Psychotherapeutischen Beratungsstellen (in Großstädten meist vorhanden) oder im Internet, beispielsweise unter
http://www.psychotherapiesuche.de/
Ausserdem gibt es zu diesem Thema einige Ratgeber in Buchform, mehr oder weniger empfehlenswert.

8. Psychopharmaka

a. Wenn Du bisher noch keine Psychopharmaka genommen hast:
Viele Psychiater empfehlen zur sogenannten Langzeitprophylaxe (Rückfallvorbeugung) eine Dauermedikation von mindestens fünf Jahren. Diese „Weisheit“ ist mit äußerster Vorsicht zu genießen. Abgesehen von der grundsätzlichen Gesundheitsschädlichkeit von Psychopharmaka geht diese Rechnung bei sehr vielen auch nicht auf. Die Krisen stellen sich trotz oder sogar wegen der Einnahme von Psychopharmaka ein. Da der Körper sich auf die Drogen eingestellt hat, wird dann die Krise mit einer relativ hohen Dosierung „behandelt“ werden müssen (gesetzt den Fall, man hätte sich für Medikamente entschieden). Hinzu kommt, daß durch die Dauerruhigstellung die Selbstheilungskräfte sozusagen erlahmen und nicht trainiert werden können, weil die seelische Entwicklung quasi „auf Eis gelegt“ wird.
Natürlich gibt es Formen des Verrücktseins, bei denen eine längerfristige Medikation das kleinere Übel ist.
Auf jeden Fall sollte man sich eine solche Dauermedikation gut überlegen.


b. Wenn Du schon über längere Zeit Psychopharmaka nimmst:

Es ist wichtig, sich öfter einmal die Frage zu stellen, ob die Medikamenteneinnahme noch weiter sinnvoll ist oder nicht.
Viele nehmen eine zu hohe Dosierung über einen zu langen Zeitraum ein.
Wenn Du Dich für das Absetzen der Medikamente entscheidest: es ist äußerst riskant, die Medikamente von heute auf morgen abzusetzen, insbesondere bei hohen Dosierungen und/ oder bei der Einnahme mehrerer Präparate.
Ebenso ist es sehr riskant, Medikamente dann abzusetzen, wenn Du gerade stressigen Außenbedingungen ausgesetzt bist oder in einer aktuellen seelischen Krise, die nicht auf die Medikamente zurückzuführen ist.
Beim Absetzen empfiehlt sich die allmähliche Reduzierung, beispielsweise in 10 %- Schritten, wobei man nach jedem Reduzierungsschritt Tage oder Wochen zur Gewöhnung an die niedrigere Dosis einplanen sollte. Es ist wichtig, sich hier die Zeit zu nehmen, die der Körper und die Seele für die Umstellung brauchen. Man sollte sich dabei unbedingt von einer Fachperson beraten lassen. Unterstützen kann man den Entgiftungsprozess auch durch entsprechende Naturheilverfahren.

Nähere Informationen über Psychopharmaka gibt es in folgenden Büchern:
Asmus Finzen : Medikamentenbehandlung bei psychischen Störungen, Psychiatrie Verlag
Peter Breggin : Giftige Psychiatrie. Auer
Finzen ist auf der gemässigten Pro- Medikamente- Seite, Breggin ein radikaler Gegner der Psychopharmaka- Gabe. Der besseren Informiertheit wegen ist es wichtig, beide Positionen zu kennen.

Zum Thema Antidepressiva gibt es einen hervoragenden Artikel von C. Medawar (Do Antidepressants work ?) im Netz.


B. Achtsamkeit:

merken, wenn „es“ wieder losgeht, sogenannte Frühwarnzeichen

Eine wichtige Vorraussetzung zum Steuern von Verrücktheiten ist, daß man merkt, wann man dabei ist, „abzudrehen, überzuschnappen, aufzudrehen, ins Loch zu fallen...“. Es ist wichtig, sich zu erinnern, wie es bisher war, wie es angefangen hat und was den verrückten Zuständen jeweils vorausgegangen ist. Obwohl dies bei jedem unterschiedlich ist, hier eine Liste von häufigen Anzeichen, daß sich eine Krise anbahnen könnte:

1. vermehrte Schlafstörungen

2. Veränderungen der Wahrnehmung

- man fühlt sich immer mehr wie im Tran (bzw. Traum)
- man spürt überall Sinnzusammenhänge
- man hat das Gefühl, seine Umgebung überdeutlich wahrzunehmen
- Veränderungen in der Geräuschempfindlichkeit
- optische Veränderungen wie z.B. daß plötzlich Farben sehr viel intensiver wahrgenommen werden
- die Menschen erscheinen einem irgendwie anders: fremd, bedrohlich, lächerlich, wie von einem anderen Stern, usw.

3. Veränderungen im Denken:

- die Gedanken erscheinen einem viel schneller oder langsamer zu werden
- die Gedanken drehen sich immer um ein und dasselbe Problem, ohne daß man sie abstellen kann
- das Gefühl, gar keine Gedanken mehr zu haben
- die Gedanken erscheinen einem von außen eingegeben oder von einer äußeren Macht entzogen zu werden
- die normale konkrete Bedeutung von Dingen und Ereignissen bekommt symbolischen Gehalt (man denkt und handelt symbolisch), alles wird zum Zeichen
- die intensive Beschäftigung mit philosophischen oder spirituellen Fragen und das Gefühl eine Erleuchtung nach der anderen zu haben

4. Veränderungen in der Körperwahrnehmung:
- das „Verlassen“ des eigenen Körpers
- nichts mehr spüren können

5. Veränderungen in der eigenen Verhaltensweise:
- extremes Zurückziehen von der Außenwelt
- einen nicht mehr zu stoppenden Redezwang
- eine plötzlich auftretende Sammelleidenschaft
- das Gefühl die Umgebung unbedingt von einer bestimmten Idee überzeugen zu müssen
- nicht mehr zur Arbeit gehen

6. Die Menschen um einen herum verhalten sich anders:
- Dein Arbeitgeber rät Dir, doch Urlaub zu nehmen
- Deine Freunde meinen, Du solltest zu einem Arzt gehen
- Bekannte fragen dich, ob Du vielleicht Drogen genommen hast
- Du lernst plötzlich lauter neue Leute kennen, während Deine bisherigen Freunde und Bekannte den Kontakt zu Dir vermeiden

All das können Anzeichen für ein bevorstehende Verrücktwerden sein, sie müssen es aber nicht sein. Es ist auch wichtig sich klarzumachen, daß diese oder andere Anzeichen nicht zwangsläufig zu verrückten Zuständen führen müssen.
Krisen gehören zum Leben jedes Menschen und nicht selten kommt es trotz sogenannter „Frühwarnzeichen“ nicht zu einer größeren Krise. Kein Grund zur Panik also, nur zu mehr Achtsamkeit.


C. Was kann helfen ?


Menschen

Wenn Du merkst, daß Du dabei bist, „abzudrehen“, rede mit jemandem, zu dem Du Vertrauen hast !
„Verkrieche“ Dich nicht völlig, aber beehre auch nicht alle Menschen, egal ob sie es hören wollen oder nicht, mit Deinen Problemen. Suche Dir einige Menschen aus, die bereit sind, sich mit Dir und Deinen Schwierigkeiten in Ruhe zu beschäftigen.

Vermeide Kontakte, die dich sehr belasten, das können z.B. sein: die Herkunftsfamilie; Menschen, die dazu neigen, Dich Durch Worte zu verletzen oder Menschen, die Du als sehr anstrengend empfindest.

1. Ruhe

Reduziere Dein übliches Programm und gönne Dir alles, von dem Du weißt, daß es Dir gut tut.

- Suche Orte auf, von denen Du weißt, daß Du dich dort entspannen kannst, das kann die Sauna sein, das Kino, die Kirche, der Wald. Es ist unwichtig, welcher Ort, wichtig ist nur, daß Du dich dort wohlfühlst.

- Gönne Dir Dein Lieblingsessen

2. Alltag

Verliere die alltäglichen Dinge nicht ganz aus dem Blick.

Auch wenn Dir der Alltag im Moment lästig, langweilig, zu banal oder unwichtig erscheint, ist es meistens hilfreich, die Aufmerksamkeit trotzdem auf die Alltagsdinge zu richten. Wie und in welchem Ausmaß ist individuell sehr unterschiedlich. Manchen hilft es, zu kochen oder zu putzen, anderen reicht es, wenn sie mit einer Nachbarin einen Tee trinken und sich über das Wetter unterhalten. Wie auch immer, es ist in dieser Phase wichtig, den Kontakt mit dem, was man Normalität nennt, zu halten, selbst wenn dich innerlich scheinbar viel wesentlichere Gefühle und Gedanken beschäftigen, versuche irgend eine Dir entsprechende Form von Alltag aufrechtzuerhalten.


3. Ablenkung:

Manchen helfen auch Strategien der Ablenkung, sei es Durch Fernsehen, Stricken, Autos reparieren, spielen, usw.


4. Drogen und Naturheilmittel

In dieser Phase solltest Du sehr vorsichtig mit jeder Art von Drogen umgehen, sei es nun Kaffee, Alkohol oder Psychopharmaka. Vom Gebrauch psychotroper Drogen (sog. "street drugs": Haschisch, LSD, Speed, Kokain etc.) ist unbedingt und dringend abzuraten, da sie mit Sicherheit die Situation eskalieren und verschlechtern.

Andererseits kann der bewußte und möglichst niedrig dosierte Einsatz von bestimmten Drogen (d.h. am besten verordnete und in Absprache mit dem Arzt eingenommene Arzneimittel) notwendig sein, um ein weiteres Verrücktwerden aufzuhalten.
Insbesondere dann, wenn Schlafstörungen, Unruhezustände, Angstzustände, usw. ein riskantes Ausmaß annehmen, besteht die Gefahr, daß sich körperliche Erschöpfung und geistige Prozesse gegenseitig hochschaukeln. Hier kann es durchaus sinnvoll sein, den Körper erst einmal mit Mitteln von außen zur Ruhe zu bringen.

Allgemein gilt: sowenig wie möglich, so viel wie notwendig.

Hier eine stichwortartige und unvollständige Liste der Möglichkeiten, wobei es natürlich notwendig ist, sich weitere Informationen zu beschaffen, sowie den Rat entsprechender Experten einzuholen:

Mittel aus dem Bereich der Naturheilverfahren:

- pflanzliche Präparate:
z.B. Baldrian und Hopfen wirken bei vielen „schlafanstossend“, hochdosiertes Johanniskraut antidepressiv

- homöopathische Arzneimittel (möglichst vom Mediziner !)

- Mittel aus der indischen Ayurveda- Medizin (mit vertrauenswürdigen Profis besprechen !)

Nähere Informationen zu Naturheilverfahren gibt es beispielsweise bei Ärzten für Naturheilkunde.

Alkohol : unbedingt mit Vorsicht zu geniessen: eignet sich keinesfalls zur Dauer- "Therapie" und
ist für Menschen mit einer Suchtproblematik sehr gefaehrlich ! Durch den Versuch, sich mit Alkohol selbst zu behandeln, kann man sehr schnell zum Süchtigen werden. ):

Auch Menschen, die regelmäßig Psychopharmaka zu sich nehmen, gehen mit der Alkoholeinnahme z.t. nicht kalkulierbare Risiken ein ! ):

Alkohol in geringen (geringen !) Mengen kann unter Umständen beruhigend und „schlafanstossend“ wirken (alkoholfreies Bier wegen des enthaltenen Hopfens auch). ; )) Trotzdem: Alkohol in jeder Form ist aber kaum kontrollierbar einzusetzen und es ist deshalb ganz allgemein von Versuchen des "therapeutischen" Alkoholgebrauchs dringend abzuraten.

Psychopharmaka:
Die Einnahme von Psychopharmaka ist immer mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Trotzdem kann sie im Einzelfall das kleinere Übel darstellen, z.B. etwa um eine Zwangseinweisung zu verhindern oder eine schon "im Anzug" befindliche Krise abzumildern.

Es empfiehlt sich hier, unbedingt einen vertrauenswürdigen „Profi“ zu Rate zu ziehen !

Zeitpunkt der Einahme bzw. der Dosiserhöhung: für manche Menschen ist es hier wichtig, zu bedenken, daß sie sich rechtzeitig genug für die Einnahme/ Dosiserhöhung entscheiden. Häufig ist es am Beginn einer Krise möglich, den Prozess mit einer relativ niedrigen Dosierung und/ oder einer kurzen Einnahmedauer abzumildern oder zu stoppen.

Ausserdem ist es für viele ein beruhigendes und zur Stabilität beitragendes Gefühl, eine für den Notfall bestimmte Menge Psychopharmaka zuhause zu haben. Wichtig: eine geeignete, spezielle Notfallration für zuhause mit dem behandelnden Arzt zusammenstellen !

Wenn der Notfall eintritt, unbedingt den Arzt des Vertrauens aufsuchen!


D. Akute Zustände:

wenn man verrückt, psychotisch, wahnsinnig ist:


Bei vielen von uns gibt es in einer seelischen Krise einen bestimmten Punkt der inneren Erregung, der, wenn er überschritten wird, zu dem führt, was als Psychose, Wahnsinn, Verrücktheit usw. bezeichnet wird.
Diese Art von Zuständen unterscheidet sich von anderen Krisenformen dadurch, daß der Sprung aus der "Realität" bvzw. dem Alltag heraus hier geschehen ist.
Wenn es - aus welchen Gründen auch immer - passiert ist und man im Chaos der eigenen Gefühle, Ideen, Gedanken „drinhängt“, die Welt sich um 180 Grad gedreht hat,
nichts mehr so ist, wie es war, alles vorher Wichtige unwichtig geworden ist:
dann geht es in erster Linie darum, das Überleben abzusichern.

Auch hier ist es wichtig, erst einmal zu merken und sich selber einzugestehen, daß man „voll drinhängt“. Woran und wie man es merkt, ist natürlich wieder von Person zu Person unterschiedlich; aber mit Erfahrung von einem selbst oder nahestehenden Anderen durchaus erkennbar.

Hier einige Beispiele:

- Ein plötzlich auftretendes Gefühl der Erleichterung im Rahmen einer schweren Krise. Vorher dagewesene Ängste usw. sind plötzlich wie weggefegt. Man fühlt sich im siebten Himmel und hat erleuchtende Erkenntnisse am laufenden Meter. Jede Form des Zweifels ist verschwunden.
Vielleicht nimmt man noch undeutlich wahr, daß die anderen Menschen nicht so begeistert auf die eigenen genialen Ideen reagieren.

- Man kommt überhaupt nicht mehr aus dem Bett, jede Bewegung wird zur Qual, man kommt sich vor wie der schlimmste Mensch auf Erden oder einem ist alles völlig gleichgültig, das Zeitgefühl verschwindet, die Wohnung verwahrlost, die Post sammelt sich ungeöffnet in irgend einer Ecke, usw.

- Man wird gejagt von Stimmen und Bildern, möglicherweise hört man Stimmen, die einem Befehle geben, sich umzubringen oder ähnliches. Es gibt keine Pausen mehr zwischen den einzelnen Visionen und man hat keinerlei Kraft und/ oder Interesse mehr für andere Dinge. Man zieht sich völlig zurück und verläßt die Wohnung überhaupt nicht mehr.

- Vorher abgeschwächt vorhandene Ideen und Vorstellungen, wie z.B., daß man von einer fremden Macht ausspioniert wird, werden zur unumstößlichen Gewißheit. Jeden Tag findet man scheinbar neue „Beweise“ für diese Tatsache.


Wenn Du es geschafft hast, zu erkennen, daß Du „drinhängst“, hast Du schon einen riesigen Schritt getan, um wieder herauszukommen. Als Erstes ist es nun wichtig, das Überleben abzusichern.
Unabhängig davon, ob Du in eine Klinik gehen wirst oder nicht, brauchst Du einen Schutz- und Schonraum. Diesen gilt es jetzt zu organisieren. Dazu brauchst Du Hilfe.


Also:

1. Hilfe:
Informiere mindestens eine Person, besser aber mehrere Personen Deines Vertrauens, wie es Dir geht und bitte sie um Hilfe.
Günstig ist es natürlich, wenn Du Dir bei dieser/ diesen Person(en) sicher sein kannst, daß sie mit Gelassenheit auf Deinen Zustand reagieren kann und nicht gleich meinen, eine Einweisung veranlassen zu müssen.
Bitte diese Person(en), Dir bei den jetzt notwendigen Dingen zu helfen.

2. Krankmeldung
Lasse Dich krankschreiben
Wenn Du in einem solchen Zustand zur Arbeit gehst, gefährdest Du Deinen Arbeitsplatz, also: auch wenn Du dich in keiner Weise krank fühlst: besorge Dir eine Krankmeldung.

3. Kinder versorgen
Falls Du Kinder hast:
Du brauchst jetzt Entlastung und Deine Kinder brauchen Sicherheit. Sorge also dafür, daß sich jemand vorübergehend um sie kümmert (Oma, Tante, Freunde, Bekannte, usw.)

4. Rückzug in einen schützenden Raum
Sorge für einen Schutzraum, bis das Verrücktsein abgeklungen ist (Beispiel: bei einem Freund/ einer Freundin, in der Soteria, in einem Weglaufhaus, in einer geschlossenen Station Deines Vertrauens...)

a) Zuhause
Wenn Du in Deiner Wohnung bleibst:
Du brauchst auf jeden Fall Menschen, die Dich begleiten. Das Verrücktsein alleine durchstehen zu wollen ist hochgefährlich und außerdem oft qualvoller als notwendig.
Falls Du aber das Glück haben solltest, einen oder mehrere Menschen zu kennen, die bereit sind, Dich zu begleiten, kannst Du diesen Zustand möglicherweise ohne Klinik durchstehen. Auf jeden Fall solltest Du mindestens einmal täglich mit jemanden sprechen.
Unter Umständen empfiehlt sich die Einnahme von Psychopharmaka (wenn sie bei Dir anschlagen und Du sie einigermaßen verträgst), wieder nach dem Prinzip des kleineren Übels. Solltest Du Dich dafür entscheiden, nimm beim Besuch des Psychiaters möglichst jemanden mit, der dich dabei unterstützt, daß zu bekommen, was Du brauchst.

b) Klinik
Wenn Du in eine Klinik gehen möchtest oder musst:
Auch hier gilt: tue das möglichst nicht alleine. Folgendes ist dabei abzuklären:
Welche Klinik bietet am ehesten dasjenige, was Du jetzt brauchst ?
Möchtest Du lieber auf eine offene oder auf eine geschlossene Station ?
(wenn Du nicht selbstmordgefährdet bist, lassen sich manche Kliniken darauf ein, direkt in eine offene Station aufzunehmen)
Hast Du ungeklärte Dinge zu Hause, die noch erledigt werden müssen (Versorgung von Haustieren, Absage von Terminen, offene und dringende Rechnungen, Entmüllung der Wohnung, usw.), bitte Freunde darum, dies soweit wie möglich für Dich zu erledigen.

Aufnahme in der Klinik:
- wenn Du bereits eine Behandlungsvereinbarung mit einer Klinik hast bzw. ein psychiatrisches Testament, ist es sinnvoll, darauf noch einmal ausdrücklich hinzuweisen und eine Kopie davon mitzunehmen.
- hast Du keine Vorausverfügung, informiere die Klinik entweder selbst oder, falls möglich, über einen „Profi“ Deines Vertrauens über folgende Dinge:

1. welche Medikamente in welcher Dosierung Du bereit bist zu nehmen und welche Medikamente Du auf keinen Fall nehmen möchtest. Verweise auch auf Unverträglichkeiten und erhöhte Risiken.
2. körperliche Grunderkrankungen
3. sofern Du es weißt, informiere die Klinik darüber, was Dir jetzt helfen kann: z.B. erst einmal möglichst viel Ruhe oder umgekehrt möglichst viel Ansprache und Aufmerksamkeit, usw.

Mit diesen Informationen solltest Du unter Umständen vorsichtig sein:
Selbstmord und Selbstverletzungsgedanken sowie Gedanken, die sich auf die Verletzung/Ermordung anderer Personen beziehen.
Je nach Einstellung der Klinik kann dies eine Zwangseinweisung zur Folge haben in dem Moment, wo Du die Klinik früher verlassen willst, als die Ärzte es für ratsam halten.
Auf der anderen Seite ist es natürlich wichtig, daß Du mit jemanden über solche Gedanken sprichst. Es ist also ein nicht ganz einfacher Balanceakt, einerseits soviel zu erzählen, daß sie auch in die Lage versetzt werden, Dir zu helfen, auf der anderen Seite aber nicht zuviel um irgendwelche Dir unbekömmlichen Maßnahmen zu provozieren. (Medikamentenerhöhung, Verlegung auf die geschlossene Station, Zwangseinweisung, usw.)

5. Zwangseinweisung

Im Falle einer Zwangseinweisung:
Bleib so ruhig wie möglich. Es ist normal, daß Du dich aufregst und sehr verständlich, aber es bringt meistens nichts, den Aufstand zu proben. Das bewirkt meist nur das Gegenteil dessen, was Du erreichen möchtest.

- Wenn Du heraus möchtest, kannst Du folgendes tun:

a. Bitte darum - in möglichst ruhigem Tonfall -, telefonieren zu dürfen und informiere eine Person, von der Du weißt, daß sie Dich unterstützen wird - und, wenn Du einen geeigneten Anwalt kennst, auch diesen.

b. Bei einer Zwangseinweisung hast Du entweder bereits mit einem Richter gesprochen oder Du wirst in den nächsten Stunden mit einem Richter sprechen. Dieser trifft die Entscheidung und es ergeht ein sogenannter Beschluß, nomalerweise für 6 Wochen. Gegen diesen Beschluß kannst Du Widerspruch einlegen oder, wenn der Beschluß schon einige Zeit besteht, die Aufhebung des Beschlusses beim Gericht beantragen. In der Begründung Deiner Anträge ist es wichtig zu anzugeben, warum Du nicht oder nicht mehr selbst- bzw. fremdgefährdend bist, denn für eine Zwangseinweisung reicht es rechtlich gesehen nicht aus, daß Du „neben der Spur“ bist.
Am besten lässt Du Dir beim Schreiben des Widerspruchs bzw. des Aufhebungsantrags helfen.

c. Höchstwahrscheinlich bekommst Du auch Psychopharmaka. Dies rechtlich anzufechten, ist meist sehr schwierig. Hast Du eine Behandlungsvereinbarung bzw. ein psychiatrisches Testament, verweise darauf, möglicherweise auch mit dem Hinweis, daß sie bei Nicht- Beachtung dieser Vorausverfügung riskieren, wegen eines Behandlungsfehlers verklagt zu werden.
Hast Du keine Vorausverfügung, versuche, so gut es geht und möglichst sachlich mit Deinem behandelnden Arzt zu verhandeln. Am besten schaltest Du auch hier aussenstehende Personen ein, die Dich in Deiner Argumentation unterstützen.


d. Wenn Du zwar erschrocken bist, in der Klinik gelandet zu sein, irgendwie aber auch erleichtert bist und Du nicht unbedingt heraus möchtest:

Oft kannst Du die Zwangseinweisung dadurch aufheben lassen, daß Du eine Freiwilligkeitserklärung unterschreibst. Wenn Du mit den Medikamenten, die Du bekommst, unzufrieden bist, verweise auf eventuell bestehende Vorausverfügungen bzw. verhandle mit den Ärzten und nenne dabei Deine Gründe und bisherigen Erfahrungen mit Psychopharmaka.
Auch hier gilt: informiere auf jeden Fall eine außenstehende Person und lasse Dich von ihr unterstützen.

6. Betreuung

Solltest Du einen rechtlichen Betreuer haben, der den sogenannten Wirkungskreis Aufenthaltsbestimmung hat, liegt sehr wahrscheinlich eine Zwangseinweisung nach dem Betreuungsgesetz vor. Hier ist es auf jeden Fall wichtig, daß Du mit Deinem Betreuer Kontakt aufnimmst und nachfragst, warum er bzw. das Gericht zu dieser Entscheidung gekommen ist. Ein Grund kann hier z.B. auch sein, daß Du eine Psychopharmakabehandlung abgelehnt hast. Manchmal ist es sinnvoll, sich dabei - um herauszukommen - auf Kompromisse einzulassen. Spätestens wenn Du dann draussen bist, solltest Du Dir entsprechende fachliche Unterstützung und Beratung holen um unter Umständen:
a) die Aufhebung der ganzen Betreuung zu beantragen
b) die Aufhebung dieses Wirkungskreises zu beantragen
c) einen Betreuerwechsel zu beantragen

Was hier das Sinnvollste ist, lässt sich nur im Einzelfall entscheiden, deshalb brauchst Du bei dieser Form der Zwangseinweisung auf jeden Fall eine kompetente Beratung (Rechtsanwalt, Patientenanwalt, falls vorhanden: ein Dir wohlgesonner Sozialarbeiter oder ein Betroffener, der sich in diesen Dingen auskennt)


E. Nach dem Verücktsein

Du hast eine sehr schwere und anstrengende Zeit mehr oder weniger heil überstanden. Du bist wie ein Reisender, der von einem anderen Planeten auf die Erde zurückgekehrt ist und Du wirst voraussichtlich einige Zeit brauchen, um Dich wieder zurechtzufinden. Versuche die kleinen Dinge des Alltags zu genießen, die Sonne, die Dir ins Gesicht scheint, eine schöne Tasse Kaffee, einen netten Fernsehfilm und lasse Dir für das Zurückkehren die Zeit, die Du brauchst. Wenn Du Lust hast und es dich nicht zu sehr aufregt, schreibe die Erlebnisse Deiner „Reise“ auf, stelle sie bildlich dar oder erzähle sie Menschen, die bereit und in der Lage sind, sich diese anzuhören. Dies kann sehr hilfreich sein, zum einen um diese Erfahrungen zu „verdauen“, aber auch um mit zukünftigen Erfahrungen ähnlicher Art vielleicht besser umgehen zu können.

Wenn Du wieder genügend Boden unter den Füßen hast, wirst Du Dich auch der Neu- bzw. Wiederorganisation Deines Lebens zuwenden können. Je nachdem, wie die Krise abgelaufen ist, wirst Du Dich auch mit unangenehmen Konsequenzen beschäftigen müssen - wie z.B.:

- Verlust der Wohnung
- Geldprobleme
- manche Freunde, die nichts mehr mit Dir zu tun haben wollen
- dem Absetzen von Psychopharmaka
- Schwierigkeiten mit der Arbeitsstelle
usw.

Lasse dich nicht irre machen, oft sehen die Dinge zunächst schlimmer aus, als sie sind. Versuche eins nach dem anderen anzugehen und suche Dir dabei die entsprechende Unterstützung. Du hast es geschafft, eine Erfahrung durchzustehen, die immer an die Grenze dessen geht, was ein Mensch aushalten kann. Das ist eine enorme Leistung. Du hast es geschafft, wieder auf diese Erde zurückzukehren und auch das ist alles andere als einfach. Also lasse Dich nicht unterkriegen, auch wenn die Dinge nicht auf Anhieb so laufen, wie Du Dir es wünschst.


F. Anhang: Der Umgang mit spezifischen Arten des Verrücktseins


Die Aufzählung ist unvollständig und es lassen sich hier natürlich keine allgemeingültigen Ratschläge geben. Hier trotzdem einige Anregungen, Ideen und Erfahrungen zu spezifischen Verrücktheitszuständen, die Du ausprobieren (Bitte im echten Notfall nicht allzuviel experimentieren, sondern professionelle Hilfe suchen!) könntest:

1. Panik- und Angstzustände:
- eine Decke umlegen, jemand der Dir die Hand hält,
- wenn es irgend geht, versuche Deine Atmung zu beruhigen, indem Du bewußt lange ausatmest und so versuchst den Atem zu verlangsamen

2. Halluzinationen:
Du hörst Stimmen oder siehst Bilder, die außer Dir niemand wahrnehmen kann

Wenn Du unsicher bist, ob es sich bei Deinen Wahrnehmungen um Halluzinationen handelt oder nicht, überprüfe es, wann immer es möglich ist, z.B. indem Du andere fragst, selber näher herangehst, usw.

Wenn Du weißt, daß es sich um Halluzinationen handelt, dann versuche Dir klarzumachen, daß Halluzinationen im Prinzip nichts Schlimmes sind, sondern Botschaften Deiner Seele.
Günstig ist es, gegenüber diesen Botschaften folgende innere Haltung zu finden:
ich höre/ sehe Euch, Dich, es ist in Ordnung, aber nun wende ich mich auch wieder anderen Dingen zu -
oder anders ausgedrückt, die Stimmen/ Bilder zwar zu registrieren, aber nicht näher darauf einzugehen.

3. Depression:
Es gibt sehr unterschiedliche Arten von Depression und verschiedenste Auslöser, je nach Auslöser können verschiedene Dinge helfen.

a. Bei manchen Menschen werden Depressionen dadurch ausgelöst, daß sie Gefühle von Wut oder Enttäuschung unterdrücken, hier hilft alles, was diesen meist nicht bewußten Gefühlen ein Ventil verschafft: z.B.:
- erinnere dich an das letzte Mal, als Du wütend warst, und denke Dir alle möglichen und unmöglichen Schimpfwörter aus, die Dir nur einfallen
- schreibe einen möglichst wütenden Brief an einen „Lieblingsfeind“ (aber schicke ihn bitte nicht ab !)
- schimpfe mit Deinem Bett, dass "die Unverschämtheit besitzt, dich hier tagelang festzuhalten"
- male ein Bild

b. Erschöpfung: wenn Du gerade eine sehr stressige Lebensphase hinter Dir hast, wie z.B. eine Psychose, die Trennung von einem Partner, eine Phase der Arbeitssucht, eine lange körperliche Erkrankung usw. ist die Depression gewissermaßen eine natürliche Reaktion des Körpers auf diese Überforderungs- Situation. Hier ist alles gut, was Dich und Deinen Körper bei diesem Erholungsprozess unterstützt.

Autoren: Anonymes Autorenkollektiv
Korrigiert, redigiert und ergänzt: Matthias Schaffrath
Stand November 2003

 

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